Entwurf Frühjahrssemester 2022

Turin – Alpentäler der Città Metropolitana di Torino

Gelaufen um 1914
Gelaufen um 1914
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Entwurf Frühling 2022: Alpenbogen mit perialpinen Metropolitanregionen; © Professur Günther Vogt, ETH Zürich

Die Entwurfssemester der Professur Vogt kreisen um den Alpenbogen der These folgend, dass dieser als urbaner Common Ground gelesen werden kann. Jedes Semester stellt sich die Aufgabe der Verifizierung dieser These, indem wir auf eine perialpine Metropolitanregion fokussieren und nach deren spezifischem Bezug zum alpinen Raum fragen.

Nach Milano, Lyon, Ljubljana, München, Marseille und Wien beschäftigen wir uns im Frühjahrssemester 2022 mit dem Territorium von Turin, womit die Semesterreihe «The Alps as Common Ground» seinen Abschluss findet. Dabei fokussieren wir auf die Alpentäler der «Città Metropolitana di Torino». Diese haben im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs der Stadt Turin – der mit der Entwicklung der «Fabbrica Italiana Automobili Torino» (FIAT) korreliert und bis in die 80er Jahre des 20. Jh. anhielt – einen massiven Bevölkerungsrückgang erfahren, was in vielen Gemeinden zu einem Niedergang der öffentlichen Einrichtungen und schlussendlich der Dorfgemeinschaften führte. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in den urbanisierten Raum führte zu einem Ungleichgewicht der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit zwischen den Regionen und somit zu einer Konzentration der Entwicklungen im Metropolitanraum Turin. Grosse Teile des alpinen Territoriums verloren damit an Wichtigkeit und wurden zu «Alpinen Brachen» (vergleiche: Die Schweiz – Ein städtebauliches Portrait, ETH Studio Basel). Neue Entwicklungen wie die Digitalisierung der Arbeitswelt, schnellere Verkehrsverbindungen zwischen Peripherien und Zentren, die den Bergregionen zugesprochene Lebens- und Erholungsqualität sowie bestehende alpine Ressourcen wie erneuerbare Energien, Frischwasser, mineralische Rohstoffe oder biologische Ressourcen werden jedoch zunehmend als unverzichtbare Potentiale für inneralpine Gebiete, aber auch für das ausseralpine Umland identifiziert. Gerade in Anbetracht der aktuellen Debatten zu Energieproduktion, Trinkwassersicherheit, ökologischer Vielfalt, Dichtestress in den Städten oder Klimawandel führt das zu einer Bedeutungszunahme der alpinen Regionen. Anhand expliziter Entwürfe diskutieren wir die Neubestimmung der Bedeutung und Nutzung dieser Regionen im Spannungsfeld zwischen Extensivierung und Intensivierung, mit dem Ziel eine neue produktive Beziehung mit der Metropolitanregion Turin herzustellen.

Exemplarisch werden wir diese Themen in den piemontesischen Alpentälern, insbesondere dem Susa-Tal und den Lanzo-Tälern, untersuchen. Im Susa-Tal beschäftigen uns Entwicklungen, die im Zusammenhang mit der sich im Bau befindlichen Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen Turin und Lyon und dem dazugehörigen neuen Bahnhof bei Susa zu erwarten sind. Gerade zu gegensätzlich stellt sich die Situation in den Lanzo-Tälern dar. Diese waren im Verlauf des letzten Jahrhunderts von starker Abwanderung betroffen, wodurch die über Jahrhunderte etablierte Kultur und die dazugehörige Landschaft teilweise stark gefährdet ist oder bereits verloren ging. Diese sich scheinbar komplementär entwickelnden Talschaften werfen verschiedene Fragen auf. Sollen beispielsweise gewohnte Landschaften bewahrt werden? Gibt es neue Nutzungsentwicklungen? Ist ein Rückzug des Menschen aus gewissen Gebieten denkbar? Oder sind andere Szenarien aussichtsreich? Darauf wollen wir eingehen.

Der Begriff «Process Cartograhy» bildet dabei das methodische Grundgerüst des Entwurfsunterrichtes. Ausgehend von einer komplexen Fragestellung im territorialen Massstab werden in einem ersten Schritt die grossräumlichen Beziehungen der Metropolitanregion Turin untersucht. Auf einem zweitägigen Field Trip ergänzen wir den analytischen Blick mit einer persönlichen Sicht auf den Ort. Daraus entwickeln die Studierenden jeweils ein individuelles Programm als Grundlage für ihren Entwurf. Die vorgeschlagenen Eingriffe können zwischen städtebaulichen und landschaftlichen Szenarien sowie konkreten architektonischen Vorschlägen variieren. Dieses Vorgehen trägt der Einsicht Rechnung, dass der Entwurf nicht als Endprodukt, sondern als Prozess zu verstehen ist, bei dem es darum geht die einzelnen Denkbewegungen sichtbar zu machen und aufzuzeichnen.

Schlusskritik

Dienstag 31. Mai 2022 und Mittwoch 01. Juni 2022, 08:30 Uhr – 18:00 Uhr
ETH Zürich, Hönggerberg, HIL G64 (Studio)
Gäste: Aita Flury, Raimund Rodewald, Maarit Ströbele
Mit Arbeiten von: Felix Affolter, Sophia Begun, Matthias Bisig, Annick Bächle, Maximilian Bächli, Joschua Bücheler, Laura Cella, Joel Fischer, Lisa Gärtner, Nina Hansen, Laura Kölliker, Aline Lang, Eva Meier, Manon Schaffner, Manuel Scherrer, Luca Schüpbach, Nora Stirnimann, Lennard Sundermann, Emidio Tornillo, Nina Tschuppert

Organisation

Assistenz: David Jung, Andreas Klein
Kontakt: David Jung
Entwurf V-IX: 052-1144-22L (14 KP)
Woche 1-3: Analyse (Gruppenarbeit)
Entwurf im Anschluss (Einzelarbeit)

Einführung am 22.02.22 um 10:00 Uhr im Case Studio Vogt (Stampfenbachstr. 59, 8006 Zürich).

Der Field Trip findet vom 11.03.22 bis 13.03.22 statt (Abreise: Freitagnachmittag ab Zürich HB, Rückreise: Sonntag, Zürich HB an 23:00 Uhr). Der Unkostenbeitrag beträgt 250 CHF.

Hinweis: Änderungen des Semesterprogramms aufgrund der Covid-Situation sind nicht ausgeschlossen.

Archive

The Alps as Common Ground

The expansion of the Alps’ developmental structure leads to their increased integration into the urban networks of the surrounding metropolises. This enables both the exploitation of the Alps as a metropolitan park landscape and as an attractive settlement area, which leads to an increased formation of spatial contrasts already evident today: the intensified use of the easy to reach Alpine areas increasingly contradicts the more extensive use up to the abandonment of the remaining Alpine areas. If this trend continues, it will lead in extreme cases to the loss of the Alps as an autonomous cultural, living and economic area; furthermore, the Alpine peripheral regions will become merely additional areas of the extra-Alpine metropolises.

When considering the Alps as common ground of the surrounding metropolitan areas, an alternative interpretation results and a new potential opens up regarding the Alps’ future development. Assuming that settlements and an accompanying urban concentration will increase along the edge of the Alps, they would no longer only be partially assigned metropolitan park landscapes, but central to the region. Regarding the Alps as common ground and a resource claimed by various users, their future could lie in a collectively renegotiated, sustainable user relationship. This relationship combines and overlaps traditional, agricultural (endogenous) usages with extra-Alpine, urban (exogenous as well as ubiquitous) ones, thus ultimately allowing a responsible use of resources of the Alpine landscape. (Werner Bätzing, «Die Alpen. Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft», Munich: Publisher C.H. Beck, 2005, P. 335.) This could result in a common central landscape of the surrounding metropolitan areas – not based on traditional images and ideas, but creating new images and meanings – and above all developing strategies on how to deal with areas with little potential.

The alpine range 2015: urbanisation (white), protected areas (red), common ground (yellow).
The alpine range 2100: urbanisation (white), protected areas (red), common ground (yellow).